Trotz der vielen Eindrücke die
man in der Grossstadt Ho Chi Minh City sammelt, sind es oftmals die kleinen
Dinge, die das Leben hier so spannend und auch anders machen. Als ich letztens
in unserem Compound meinen sportlichen Aktivitäten nachging, beobachtete ich, wie
so oft, das Treiben auf dem Saigon River. Auf den Fluss habe ich einen direkten
Blick und es ist immer sehr interessant die ganzen Frachtschiffe im Wechsel mit
den kleinen Fischerbooten zu beobachten.
An diesem Tag war speziell, dass
ein kleines Fischerboot sehr nahe am Zaun zum Compound hin und her tuckerte. Es
waren zwei Erwachsene und ein kleines Mädchen auf dem Boot, die Ihre Netze
einholten. Unser zweitjüngster Sohn Jaron (5) spielte in der Nähe und
beobachtete die Fischer gespannt.
Plötzlich viel mir auf das die
Fischer versuchten ein Gespräch mit Jaron zu starten. Irgendwie kommunizierten
sie zusammen, fragen Sie mich nicht wie genau. Jaron auf englisch und die
Fischer natürlich auf vietnamesisch.
Nachdem sie ihre Netze
eingesammelt hatten, kamen sie nochmals zurück zu der Stelle, an der Jaron
spielte und riefen ihm wieder etwas zu. Dann sah ich, wie sie etwas an einem
Stock befestigten und zu ihm hinstreckten. Er nahm es dankend entgegen und
rannte strahlend auf mich zu. Es war eine frische Frucht, nur eine kleine Mango,
aber sie löste bei Jaron eine riesen Freude aus.
Es sind solche Sachen die einen
hier in Vietnam beeindrucken: arme Leute, die nichts besitzen und das Wenige, das
Sie haben, noch teilen. Aber wie so oft hier - im
Lande der rasanten Entwicklung in dem dementsprechend Viele auf der Strecke
bleiben - Freud und Leid liegen sehr nahe beieinander.
Nachdem ich mit Jaron dieses
schöne Erlebnis hatte, holte mich dann die andere Seite eine Woche später auf
der Arbeit wieder ein.
Einer unserer Schichtführer wurde
100 Meter von der Fabrik entfernt von vier Personen mit Eisenstangen
angegriffen. Zum Glück kamen sehr schnell andere Arbeiter hinzu und die
Angreifer machten sich aus dem Staub. Er zog sich keine schweren körperlichen
Verletzungen zu, aber psychisch wird ihn das wohl noch lange verfolgen.
Leider war es nicht das erste Mal,
dass so etwas passiert ist. Alle sagen eigentlich die Vietnamesen seien sehr
geduldig und nicht unbedingt gewaltbereit. Aber wenn man ein bisschen mehr Zeit
in diesem Land verbringt, sieht man halt auch die negativen Seiten.
Auch unsere vietnamesischen
Kollegen bestätigten uns, dass es leider oftmals so endet: Wenn sich die
Arbeiter von Führungskräften ungerecht behandelt fühlen, wird dies nach der
Arbeit geregelt. Der Vorfall sieht tatsächlich stark nach einem Racheakt aus,
da der betreffende Schichtführer ein paar Tage zuvor einen Arbeiter zurechtwies.
Es gibt einem schon zu denken,
speziell weil man sich hier oft in Situationen befindet, in denen man die
Arbeiter selber zurechtweisen muss. Denn immer wieder schlagen wir uns mit
negativen Gewohnheiten der Vietnamesen herum: auf dem Boden sitzen, wenn eine
Anlage mal zwei Minuten nicht läuft, schlafen am Arbeitsplatz, fälschen von
Dokumenten... Aber wie soll man es Ihnen Übel nehmen? Die meisten Produktionsmitarbeiter
sind um die zwanzig und haben keine Erfahrungen. Für viele ist es die erste
Arbeit nach der Schule. Sie sehen darin die Chance, in einer angenehm klimatisierten
Halle zu arbeiten.
Ja, einfach ein Land im Wandel mit
allem was dazu gehört.